In einem aufschlussreichen Gespräch mit Patrick Artus spricht der Extremismus-Experte Ahmad Mansour über den oft übersehenen Zusammenhang zwischen traditionellen Männlichkeitsbildern und Radikalisierung. Während öffentliche Debatten sich häufig auf Herkunft oder Religion konzentrieren, zeigt Mansour auf, dass das Geschlecht eine weitaus bedeutendere Rolle spielt: 85% aller Verbrechen werden von Männern begangen.
Patriarchale Strukturen als Nährboden
- Junge Männer aus patriarchalen Familien entwickeln häufig ein geringes Selbstwertgefühl
- Die Schwelle zur Gewaltanwendung sinkt durch frühe Unterdrückung der Individualität
- Paradoxerweise erfahren männliche Jugendliche weniger Regeln und Kontrolle als ihre weiblichen Geschwister
Der Gegensatz in der Erziehung
Ein besonders interessantes Phänomen zeigt sich im Vergleich zwischen Geschwistern:
- Während männliche Intensivtäter häufig regellos aufwachsen
- Machen ihre Schwestern oft Abitur und erfolgreiche Karrieren
- Der Grund: Mädchen lernen früh, mit Regeln umzugehen und müssen sich Anerkennung durch Leistung verdienen
Radikalisierung als Ausweg
Extremistische Gruppierungen bieten:
- Klare, traditionelle Männlichkeitsbilder
- Eine vermeintliche Legitimation von Macht
- Einfache Antworten auf komplexe gesellschaftliche Entwicklungen
Die Rolle der Kontrolle
Ein zentraler Aspekt patriarchaler Strukturen ist die Kontrolle über weibliche Familienmitglieder:
- Die „Familienehre“ wird primär durch das Verhalten der Frauen definiert
- Männer erfahren ihre Rolle hauptsächlich als Kontrolleure
- Dies führt zu einer problematischen Definition von Männlichkeit über Macht und Kontrolle
Der Weg zur Prävention
Mansour betont die Notwendigkeit eines mehrdimensionalen Ansatzes:
- Schaffung positiver Vorbilder aus den eigenen Communities
- Bekämpfung von Parallelgesellschaften durch gesunde Durchmischung
- Förderung eines positiven Selbstwertes bei jungen Männern
- Entwicklung neuer, positiver Männlichkeitsbilder
Zukunftsausblick
Die Herausforderung der Zukunft liegt in der Neudefinition von Männlichkeit, ohne diese zu verteufeln. Mansour warnt davor, Männlichkeit per se als problematisch darzustellen, da dies zu weiterer Radikalisierung führen könnte. Stattdessen plädiert er für eine moderne Männlichkeit, die sich auszeichnet durch:
- Aktive Beteiligung an Kindererziehung
- Emotionale Kompetenz
- Gewaltfreie Konfliktlösung
- Akzeptanz weiblicher Erfolge
- Positive Körperlichkeit
Der Weg zu einer gesunden Integration und Prävention von Radikalisierung führt über die Schaffung von Begegnungsräumen, die Förderung von Vorbildern und die Entwicklung eines positiven Selbstverständnisses von Männlichkeit. Nur wenn es gelingt, традиционelle Männlichkeitsbilder zu modernisieren ohne sie zu negieren, kann eine nachhaltige Präventionsarbeit gelingen.