Was um die Jahrtausendwende als „Krise der Männlichkeit“ beschrieben wurde, hat sich bis heute nicht nur fortgesetzt, sondern in vielen Bereichen sogar verschärft. Werke wie „Fight Club“ und Michel Houellebecqs Romane thematisierten damals eine vermeintliche Krise der Männlichkeit. Sie stand im Widerspruch zur nach wie vor unangefochtenen männlichen Vormachtstellung, was Machtpositionen oder auch die Gehaltsschere angeht, propagierte aber einen verweichlichten Mann und eine Rückkehr in Wehrhaftigkeit und Militarisierung. Damals versteckte sich das noch in Kapitalismuskritik. Die Kapitalismuskritik dieser Werke blieb aber konservativ: Statt Systemveränderung wurde die Lösung in einer Art „In-Group/Out-Group“, also einem „Wir gegen die anderen“ gesucht und somit einer Marginalisierung anderer Gruppen.
Aktuelle Entwicklungen
Sehr viel hat sich nicht gebessert. Populärkulturelle Darstellungen wie „Breaking Bad“ oder „The Walking Dead“ reproduzieren weiterhin problematische Männlichkeitsbilder, auch im neuen „Last of Us“ ist ein Mann zwischen Vaterschaft und seinen Verpflichtungen hin und hergerissen – denn seine Vaterschaft scheint eben nicht seine gesellschaftliche Verpflichtung zu sein. Neue Influencer wie Andrew Tate oder Jordan Peterson bieten hier ob der hohen Komplexität und Rollenvorgaben verunsicherten jungen Männern simplifizierte, archaische Männlichkeitskonzepte. Das scheint sich gesamtgesellschaftlich niederzuschlagen: Die Leipziger Autoritarismus-Studie 2022 zeigt: 27% der Deutschen haben ein geschlossen antifeministisches Weltbild, relativieren Vergewaltigung oder sehen Gewalt als angemessene Konfliktlösungsstrategie gegen „aufmüpfige“ Frauen.
Die ursprüngliche Hoffnung, dass eine differenziertere popkulturelle Darstellung von Männlichkeit zu gesellschaftlichem Wandel führen könnte, hat sich nicht erfüllt. Stattdessen dominieren weiterhin Gewaltnarrative und Katastrophenszenarien die erfolgreichen Formate. Die Pandemie hat bestehende Probleme verschärft: Es kam zu Zunahme häuslicher Gewalt, Vernachlässigung von Care-Arbeit, in der Folge Verstärkung traditioneller Rollenverteilungen und zu letzt mit den aufkeimenden internationalen Konflikten auch noch historisch höchste globale Rüstungsausgaben.
Vaterschaft als ungenutztes Potenzial
Die Beteiligung von Männern an der Kinderbetreuung bleibt gering. Positive Beispiele wie Island zeigen: Strukturelle Änderungen können Verhaltensänderungen bewirken. Die niedrigen und zuletzt sogar rückläufigen Zahlen von Väterkarenz, gibt es dort nicht. Da wird fast zu 50% geteilt. Geholfen hat die Maßnahme, dass die höchste Karenzdauer nur in Anspruch genommen werden kann, wenn beide Elternteile sich beteiligen. Das hilft Männern, ihr Spektrum zu erweitern, in der Familie verankert zu bleiben, aber auch weibliche Karrieren nicht ganz zu brechen.
Auswege aus der Krise?
Während einerseits progressive Bewegungen und ein wachsendes Bewusstsein für Gleichberechtigung existieren, zeigen sich andererseits verstärkt anti-feministische und autoritäre Tendenzen. Ein vielversprechender Ansatzpunkt bleibt die aktive Vaterschaft als Feld für neue Männlichkeitsbilder – allerdings nur, wenn dies durch entsprechende strukturelle Maßnahmen unterstützt wird. Zentral für eine positive Entwicklung wäre eine differenziertere gesellschaftliche Auseinandersetzung mit männlicher Gewalt, die Entwicklung attraktiver, facettenreicher Diskurse für alternative Männlichkeitsbilder, strukturelle Veränderungen zur Förderung gleichberechtigter Care-Arbeit und popkulturell eine progressivere popkulturelle Darstellung von Männlichkeit jenseits von Gewalt und Katastrophenszenarien.